Aber erst Dr. Willen TEN RHYNE, ein Arzt der ostindischen Handelskompanie,...
... hat in seinem Buch 1693 eingehend über Akupunktur berichtet und zum erstenmal auch das Wort "Akupunktur" verwendet. Der "Pferdeklassiker" wurde zur Zeit der MING-Dynastie (1368-1644) verfasst. Wörtlich nach Dr. Michael Heerde, Dresden (Vet. Diss. 1997, Übersetzung des "Pferdeklassiker" 1997):
"In den letzten drei Jahrzehnten ist in Europa ein wachsendes Interesse an chinesischen Heilmethoden, insbesondere an der Akupunktur, auch in der Tiermedizin zu verzeichnen. Umsomehr erstaunt es, dass bisher noch keines der pferdeheilkundlichen Basiswerke der Traditionellen Chinesischen Veterinärmedizin (TCVM) in eine europäische Sprache übersetzt wurde. Damit blieb dem des Chinesischen unkundigen Interessenten der Zugriff auf die chinesische Primärliteratur verwehrt. Indes wurden in Europa zahlreiche auf den klassischen Werken beruhende Bücher zur Humanakupunktur sowie zur Traditionellen Chinesischen (Human-) Medizin (TCM) veröffentlicht, mit deren Hilfe man versucht, den Mangel an Veterinärliteratur zu kompensieren. Als Folge dieser Entwicklung ist die europäisierte TCVM viel stärker als in China von der Humanakupunktur beeinflusst, wodurch zur Zeit in China und in Europa zwei Arten der TCVM existieren."
Obwohl bereits seit 1582 französische Jesuiten China bereist hatten und dort gewiss auch mit Akupunktur in Kontakt gekommen sind, wurde zuerst in England 1828 eine Arbeit über Tierakupunktur veröffentlicht. Seit dieser Zeit mehren sich die Berichte über die Anwendung der Akupunktur bei Tieren in Europa und im Westen. Im Jahre 1836 schreibt ein französischer Tierarzt namens FLAMMENS über die Akupunkturbehandlung einer gelähmten Kuh. In einer kurzen Abhandlung wird von "Anton Hayne, öffentlichen Professor der speziellen Pathologie und Therapie etc. am k. k. Thierarzney-Institut zu Wien" belegt, dass diese Methode beim Pferd mit positiven Behandlungsergebnissen,bei Schulter-, Bug-, Hüftlähme, Kreuzlähme, und mit einer Beschränkung auch die Maulsperre bei Tetanus, angewendet werden kann. Publiziert in den "Medizinischen Jahrbüchern des K. k. Österreichischen Staates, im Jahre 1833".
Man kann daher sagen, seit dieser Zeit wird an der Veterinärmedizinischen Universität Wien...
..., Tierakupunktur betrieben, wenn auch eine größere Pause bis jetzt dazwischen lag. Eine andere historische Quelle belegt eine Publikation von Dr. Leopold Forster, Professor am k. k. Thierarzney-Institute in Wien. Es ist dies eine Abhandlung über: "Thierärztliche Instrumenten- und Verbandlehre", Wien 1861. Forster beschreibt auch Akupunkturnadeln, die abgebildet sind. Zur Erreichung einer stärkeren Heilwirkung führt er auch die Reizung der Nadeln mit Hilfe von Batteriestrom an.
Im 19. Jahrhundert kann sich aber die Akupunktur, sowohl beim Menschen als auch beim Tier nicht durchsetzen. Erst etwa in der Mitte des 20. Jahrhunderts erwacht das Interesse an dieser Methode erneut. Hergeleitet von Erfolgen beim Menschen, werden auch Untersuchungen am Tier begonnen.
Mangels geeigneter Unterlagen und Literaturangaben für einen gezielten Einsatz der Akupunktur beim Tier...
..., gestaltet sich zunächst eine Suche nach den wirksamen Punkten äußerst schwierig. Besonders was die Therapie mit den Nadeln betroffen hat, war man auf die eigenen Erfahrungen am Tierpatienten angewiesen. Zudem war eine Erforschung nach streng wissenschaftlich kontrollierten Kriterien nicht möglich, wurde doch die Akupunktur vornehmlich von Praktikern ausgeübt, ohne einer Möglichkeit den Nachweis für das Wirken der Behandlung durch exakte Untersuchungen erbringen zu können. Ferner waren die Interessen und wohl auch die Möglichkeiten offizieller Forschungsstätten im allgemeinen zu gering, um in eine konsequente Forschung einzusteigen. Wesentlich war aber eine Aussage in der Praxis, die am Patienten vor Ort gemacht werden konnte. Ganz bestimmte Akupunkturpunkte, die auf mechanischen Druck oder elektrische Reizung mit Überempfindlichkeit und Schmerz reagieren, konnten gefunden werden. Sie zeigen in dieser Reaktionsphase, über den sogenannten Segmentalregulatorischen Komplex (Bergsmann), pathologische Belastungen in den korrespondierenden Körperregionen und Organen an. Seit vielen Jahren, an tausenden Tierpatienten gefunden, stellen diese Akupunkturpunkte eine wertvolle Bereicherung der diagnostischen Möglichkeiten am Tierpatienten dar.
In einer Neuauflage von "Hering`s Operationslehre für Tierärzte" beschreibt Dr. Eduard VOGEL aus Stuttgart 1891 die Akupunktur und Elektropunktur bei Tieren. Zu Anfang dieses Jahrhunderts gelangen nur spärlich Berichte über die Akupunktur bei Tieren an die Öffentlichkeit. Im Jahre 1926 schreibt J.ROGER über die Akupunktur zur Diagnose. 1943 berichten J. und C. LAVERGNE über Heilerfolge bei Lähmungen von Hunden und 1954 schreibt J. BERNARD einen Beitrag zur Akupunktur bei Fleischfressern. In Frankreich macht sich in dieser Zeit Dr. MILIN um die Anwendung der Akupunktur beim Hund besonders verdient.
Anatomische Untersuchungen von SCHREIBER, J. 1954, 1955, 1955; GIROLLA,...
... W. 1955; SCHALLER, O. 1956; FREWEIN, J. 1963, an der Vet. Med. Universität Wien bilden eine breite Basies für die Lokalisation und Bedeutung von Akupunkturpunkten des Rindes. Jüngeren Datums aus Wien wären die histologischen Untersuchungen von EGERBACHER, M. 1991 und LAYROUTZ, A. 1994, an Rind und Hund zu erwähnen. Die anatomischen Arbeiten von Schreiber (1954, 1955) waren für Kothbauer in der Praxis Anlass genug sich noch intensiver mit der Akupunktur des Rindes zu befassen.
Seit den 50er Jahren unseres Jahrhunderts hat sich die Veterinärakupunktur aber erst begonnen zu dem zu entwickeln das jetzt in vielen Ländern zur Routine wird. Eine große Unterstützung bei der Einführung der Tierakupunktur in Österreich war auch die Verbindung mit der Humanakupunktur. Prof. Dr. J. Bischko, der Gründer der sogenannten "Wiener Akupunkturschule", hat sich in dankenswerter Weise, sehr um die für beide Fachrichtungen zum Vorteil erwiesene Zusammenarbeit, bemüht. Einige grundsätzliche Probleme in der Tierakupunktur sollten noch gelöst werden. Die längst bewährten chinesischen traditionellen Akupunkturregeln, die für den aufgerichteten Humanpatienten Gültigkeit haben, lassen sich gewiss nicht immer kritiklos auf den um 90 Grad gedrehten und auf 4 Extremitäten gehenden tierischen Quadrupeden übertragen. Statische und dynamische Momente der knöchernen Stützkonstruktion, wie auch Gelenke, Muskeln und Sehnen sind beim Tierkörper anders verteilt als beim aufgerichteten Menschen. Es wird aber notwendig sein, die für den Menschen vorgegebenen Akupunkturregeln zu überdenken und sinnvoll abgeändert den anderen anatomischen und physiologischen Verhältnissen beim Tier entsprechend anzupassen.
Nicht zuletzt besteht noch die dringende Notwendigkeit, eine einheitliche Nomenklatur für die Tierakupunktur zu schaffen. Gegenwärtig wird in den verschiedenen Publikationen von manchen Autoren oft eine stark variierende Nomenklatur benutzt.