Tätowierungen der Tiroler Gletschermumie (Ötzi) – 5200 Jahre alte Akupunktur-Therapie arthrotischer Veränderungen?
Leopold Dorfer, Maximilian Moser, Frank Bahr, Konrad Spindler, Eduard Ehgarter-Vigl, Thomas Kenner
Abbildung 1
Abbildung 2
Abbildung 3
Abbildung 4
Tätowierungen der Tiroler Gletschermumie (Ötzi) – 5200 Jahre alte Akupunktur-Therapie arthrotischer Veränderungen?
Leopold Dorfer, Maximilian Moser, Frank Bahr, Konrad Spindler, Eduard Ehgarter-Vigl, Thomas Kenner
An der Hautoberfläche der 1991 in Tirol entdeckten Gletschermumie vom Hauslabjoch wurden insgesamt 47 strichförmige Tätowierungen entdeckt, die in 15 Strichgruppen zusammengefasst sind. 9 der 15 Tätowierungsgruppen liegen in unmittelbarer Nähe oder direkt auf den Lokalisationen klassischer Akupunkturpunkte. Ihre Kombination entspricht aus der Sicht der Akupunktur einer komplexen, antiarthrotischen Therapie. Radiologische Befunde von arthrotischen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und der großen Beingelenke belegen das Vorliegen einer entsprechenden Indikation. Nachdem die ältesten Zeugnisse einer Akupunktur-Anwendung in China aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. stammen, der Mann aus dem Eis jedoch vor 5200 Jahren gelebt hat, könnte durch diese Entdeckung der Ursprung der Akupunktur um zwei Jahrtausende vordatiert werden.
Auch kann China nicht mehr als isolierter Entstehungsort der Akupunktur angesehen werden, sondern die Entwicklung dieser Methode in einem größeren, euroasiatischen Zusammenhang erscheint wahrscheinlich.
Methodik
Sämtliche Tätowierungen wurden von einem der Autoren (Dorfer) im Rahmen einer Visite der Gletschermumie in der Spezial-Konservierungskammer in Bozen vermessen, fotografiert und auf graphischem Papier nachgezeichnet. Zusätzlich wurden die Lokalisationen der Tätowierungen zu den anatomischen Verhältnissen an der Gletschermumie korreliert. In der chinesischen Akupunktur wird zur Lokalisierung von Akupunkturpunkten ein anatomisches Relativmaß, das "cun" verwendet. Es entspricht der Breite des Interphalangealgelenks des Daumens bzw. definierten Bruchteilen der Längen von Femur, Tibia und Radius. Aus den anatomischen Maßen des Gletschermannes (6) wurde 1 cun mit 22 Millimeter berechnet.Ergebnisse
Von den 15 Tätowierungsgruppen (zwei Kreuze und dreizehn Gruppen mit je ein bis sieben parallelen Strichen) liegen neun exakt auf bzw. weniger als 5 mm von einem klassischen Akupunkturpunkt entfernt. Zwei weitere Strichgruppen liegen auf einem klassischen Meridian. Eine Strichgruppe steht in keinem Bezug zum Meridiansystem, liegt aber als lokaler Punkt auf dem arthrotisch veränderten, rechten Sprunggelenk. Drei Tätowierungen sind 6 bis maximal 13 Millimeter vom nächstgelegenen Akupunkturpunkt entfernt.